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Der Roboterfreund aus Styropor®

Was passiert, wenn ein Künstler eine Vorliebe für freundliche Roboter und die Wiederverwendug gebrauchter Materialien hat?

Es entstehen überdimensionale „Styrobots“ aus gebrauchten Styropor®-Verpackungen. Der amerikanische Künstler Michael Salter erschafft aus dem benutzten Verpackungsmaterial faszinierende Statuen und hat mittlerweile Kooperationen mit ganzen Städten aufgebaut, um an sein Material zu kommen.

Alternativer Text, Platzhalter„Ich liebe die Vorstellung, dass ein alltägliches Produkt durch kleine Veränderungen auf eine völlig neue Weise betrachtet werden kann“, sagt der 54-Jährige Künstler. Sein Weg in die Welt der freien Kunst war nicht von Anfang an klar. Salter studierte ursprünglich Marketing und Bildende Kunst. Nach ein paar Jahren Arbeit als Grafiker wollte Salter kein Teil mehr des „kapitalistischen Systems sein“, wie er sagt. Stattdessen begann er die visuelle Kultur um sich herum mit seiner Kunst zu kommentieren. „Ich betrachte Dinge, die wir täglich kaufen und wieder wegschmeißen und versuche sie in einen neuen Kontext zu bringen“, beschreibt Salter seine Arbeit.  

Genau das ist es, was Ihn schließlich auch zu seinen „Styrobots“ inspirierte. Als großer Fan von Star Wars Filmen und fasziniert von der Welt der Science-Fiction, entstand bei Salter früh eine große Liebe für Roboter. „Ich schätze, mir gefiel schon immer die Idee von Robotern, die freundlich oder sogar fürsorglich sein könnten, im Gegensatz zu militant oder aggressiv. Ich wollte meinen eigenen riesigen freundlichen Roboter, und das war meine erste Motivation", erzählt er. Für die überdimensionalen Skulpturen benötigt er entsprechend viel Verpackungsmaterial. Als Salter begann sich mit Styropor® als Werkstoff zu befassen, stellte er fest, dass es bei den Menschen nicht nur reichlich vorhanden, sondern auch kostenlos zu erwerben war. Abgesehen von seiner Verfügbarkeit schätzt er die physikalischen Eigenschaften des Materials. „Es ist stark, leicht, einfach zu schneiden und zu kleben. Das macht es schnell und einfach zu bearbeiten, sobald ich die passenden Klebstoffe und Armaturendesigns gefunden habe“, erklärt der Künstler.

Hat er genügend Material beisammen, gibt es viele Details vor und während dem Aufbau seiner Kunstwerke zu beachten. „Sind die Roboter größer als drei Meter, benötigen sie eine interne Armatur aus Holz, damit sie nicht umkippen“, erklärt der Künstler. Für die besonders großen „Styrobots“ baut Salter die Skulpturen direkt vor Ort im Ausstellungsraum. Andernfalls würden sie nicht in die Aufzüge und durch die Türen der Museen passen.

In seinen Anfangszeiten ging er noch in Müllcontainern auf die Suche nach Styropor® und bat die Öffentlichkeit um Spenden. Mittlerweile kann er durch seine Bekanntheit Kooperationen mit der jeweils ausstellenden Stadt schließen. In einer Ausstellung in Texas, veröffentlichte die Stadt Houston beispielsweise im Radio, Internet und TV, einen Aufruf an die Einwohner, ihre gebrauchten Styropor®-Verpackungen vorbeizubringen. Es stellte sich heraus, dass mit genügend Zeit die meisten Menschen etwas beizutragen hatten. „Es kam so viel Material zusammen, dass ich den größten meiner Roboter bauen konnte. Die Leute sind bereit einen kleinen Aufwand zu betreiben, um am Ende das gesamte Kunstwerk zu sehen“, berichtet Salter. Im Anschluss an seine Ausstellungen müssen die Roboter auseinander gebaut werden und die Einzelteile aus Styropor werden von der Stadt wieder recycelt. „Es bricht mir jedes Mal das Herz, wenn meine aufwändigen Roboter abgebaut werden. Meine Kunst ist aber nun mal nur für den Augenblick gedacht und diese Art von Kostbarkeit liebe ich daran“.

Gebrauchtes Material in etwas komplett Neues zu verwandeln, ist Salters Art über Recycling zu denken: „Es geht nicht nur um die Wiederverwendung, es geht darüber hinaus, wofür das Material ursprünglich gedacht war. In einer Welt, der die Ressourcen ausgehen, macht es Sinn, die Dinge zu nutzen, die wir bereits haben.“

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Michael Salter

„Es bricht mir jedes Mal das Herz, wenn meine aufwändigen Roboter abgebaut werden..."

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Karoline Hinz

„Die Leichtigkeit von Styropor® ist hier wieder ein großer Vorteil"

(Foto: © Sascha Hilgers)

Die Frau hinter dem Vorhang

Karoline Hinz arbeitet seit vielen Jahren für Theater-, Musik- und Filmproduktionen. Die Künstlerin steht aber nicht im Rampenlicht auf der Bühne, sondern hinter den Produktionskulissen. Sie erschafft beeindruckende Bühnenbilder aus Styropor®, wodurch Theateraufführungen und Filmkulissen ganz neu erlebbar werden.

Karoline Hinz bei der Arbeit an einem Bühnenbild.
„Der Entstehungsprozess eines Bühnenbildes aus Styropor® lässt sich mit einem verpixelten Bild vergleichen, das langsam schärfer wird“, so beschreibt Karoline Hinz ihre Arbeit an Kunstwerken aus expandierbarem Polystyrol (EPS). Die 33-jährige Freiberuflerin absolvierte eine klassische Ausbildung zur Bühnenbildnerin an der Berliner Oper. Nach ihrem Abschluss machte sie sich sofort selbstständig und arbeitet seither für unterschiedliche Projekte. Sie beherrscht verschiedene Bildhauer- und Maltechniken und kennt sich mit unterschiedlichen Materialien (wie Styropor®, Silikon und Gips) sehr gut aus und erweckt so die verrücktesten Ideen zum Leben.

 

Styropor® eignet sich besonders für ihre Arbeiten: „Der Werkstoff hat sich seit vielen Jahren als Material für kurzweilige, überdimensionierte Installationen und Bühnenbilder etabliert, da es vergleichsweise günstig, einfach zu verarbeiten und extrem leicht ist. Das erleichtert auch den Auf- und Abbau enorm.“, erzählt die Künstlerin. Seit etwa 15 Jahren nutzt sie den weißen Klassiker, auch, weil er ohne großen Kraftaufwand zu bearbeiten ist. „Man bekommt selbst große Objekte allein problemlos gestemmt, die Oberfläche lässt sich sehr gut schleifen“, berichtet sie weiter.

Im Auftrag des Theaters Erlangen, erschuf Hinz beispielsweise eine überdimensionale Styropor®-Skulptur für das Stück „Odysee – Eine Heimsuchung“. Etwa vier Wochen arbeitete die Künstlerin an dem vier Meter hohen Bühnenbild. „Die Dauer ist immer abhängig von der Komplexität einer Skulptur, ob beispielsweise eine Stahlkonstruktion eingebaut werden muss und letztlich auch die farbliche Gestaltung“, erzählt sie. In ihrer Branche bleibt meistens nicht viel Zeit zur Fertigstellung der Kulissen, da ein festes Datum für die Produktion oder Aufführung festgesetzt wird. Das Styropor®-Material bezieht sie meistens, je nach Größe des Projekts, in Form von Platten aus dem Baumarkt. Größere Volumina werden direkt passgenau geliefert. 

Wenn der Platz es hergibt, werden die Bühnenbilder nach Aufführungen in den Theaterhäusern eingelagert. Besonders in der Oper werden Stücke nach ein paar Jahren oft noch einmal gespielt. Die außergewöhnlich großen Kunstwerke, wie die Odysee-Statue, müssen sich auseinander bauen lassen. „In diesem Fall lässt sich die Statue in drei Teile zerlegen“, erklärt Hinz. Das ist nicht nur wichtig, um durch die Türen der Theaterhäuser zu passen, sondern erleichtert auch den Transport der Werke von ihrem Atelier in Berlin zum Spielhaus. „Die Leichtigkeit von Styropor® ist hier wieder ein großer Vorteil“, sagt die Künstlerin.

Nicht nur Theaterhäuser sind an ihrer Arbeit interessiert, Hinz erreichen auch immer wieder außergewöhnliche Kundenanfragen: Für ein Fitnessstudio fertigte sie bereits eine über 3m hohe Medusa-Skulptur aus Styropor® an. Bevor sie mit der Bearbeitung des Materials beginnt, entwirft sie ein Modell aus Ton, um die Volumina abschätzen zu können. Wenn es an die Bearbeitung der Styropor®-Blöcke geht, verläuft die Wahl der Werkzeuge von grob nach fein. „Ich starte meistens mit einer elektrischen Säge. Für Feinarbeiten steige ich dann auf Messer und Drahtbürsten um“, erzählt Hinz. Abschließend werden die Skulpturen noch handbemalt.

Wie Marmor in Styropor® "verwandelt" wird

Der piemontesische Bildhauer Fabio Viale hat eine Technik entwickelt, die seinen Skulpturen eine besondere Styropor®-Textur verleiht. Mit dieser optischen Täuschung zieht er die Betrachter in seinen Bann. 



"The World of Marble" - Interview mit Fabio Viale (© Deutsche Welle, Mit freundlicher Genehmigung der DW)

Der große Renaissance-Künstler Michelangelo glaubte, dass ein Kunstwerk bereits in einem Marmorblock "lebt". Um also die Skulptur zu enthüllen, musste man nur den Überschuss entfernen. Schon in der Kunsthochschule hat sich der piemontesische Bildhauer Fabio Viale diese Vision zu eigen gemacht. "Ich erkannte, dass ich im Gegensatz zu meinen Mitschülern eine besondere Gabe hatte.  Ich konnte sehen, wie die Form aus dem Marmorblock entsteht, und das ist etwas, das man nicht lernen kann", erzählt der Künstler.

Diese Gabe war die treibende Kraft, die ihn dazu brachte, seine bildhauerische Technik an der Akademie der Schönen Künste und anschließend in Carrara, der "Heimat" des wertvollen Steins, zu verfeinern. Während seiner Ausbildung experimentierte er mit verschiedenen Formen, Volumina und Bildern. Dieser Prozess brachte ihn schließlich dazu, das eigentliche Wesen dieser Kunst zu erforschen, wie eines seiner berühmtesten und symbolträchtigsten Werke "Souvenir Gioconda" (oder "Mona Lisa Souvenir") deutlich demonstriert. "Ich wollte dieses berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci in eine Skulptur verwandeln", erklärt Viale, "also begann ich mit der Arbeit an einem 3D-Modell. Trotz meiner größten Bemühungen, es so realistisch wie möglich zu gestalten, fehlte immer etwas. Ich konnte den leicht verschwommenen Effekt der Gesichtskontur der Mona Lisa nicht erzeugen. Als ich die Marmorarbeit fertiggestellt hatte, beschloss ich, ihr mit einem Hammer auf die Nase zu schlagen, weil ich den Anblick einfach nicht mehr ertragen konnte. Paradoxerweise erwies sich das als eine befreiende Aktion. Ohne ihre Nase wirkte die Mona Lisa realistischer."

Aber das war noch nicht alles: Über diesen instinktiven, kathartischen Akt hinaus, musste Viale eine Textur finden, die das Werk "körnig" macht und damit die verschwommene Optik erzeugt. "Ich fand die Lösung in einem Styropor®-Effekt, der eine echte Metamorphose darstellte", erklärt er. "Diese Technik ließ das Objekt verschwimmen und verwandelte es in etwas anderes, etwas Einzigartiges, das gleichzeitig auch unglaublich verlockend war." Der Effekt wurde so zu einer Art Köder, zu einer Täuschung, mit der der Künstler den Betrachter in seinen Bann zieht. Die gut gemeinte Täuschung dahinter ist eine außergewöhnliche Arbeit. Um mit dieser Technik eine 10 Zentimeter große Skulptur zu schaffen, bedarf es etwa einer Stunde intensiver, präziser Arbeit. Der endgültige Effekt sei so realistisch, erklärt Viale, "wenn man den Leuten sagt, dass die Skulptur eigentlich nicht aus Styropor®, sondern aus Marmor besteht, berühren sie sie instinktiv, um zu sehen, ob es stimmt. Es ist überwältigend, weil alle anderen Sinne sagen, dass es unmöglich ist."

Aber welche Botschaft will der Künstler mit dieser und all den anderen Techniken vermitteln, die er im Laufe seiner Karriere eingesetzt hat - etwa das "Tätowieren" von Kopien klassischer Statuen? "In Wahrheit schaffe ich keine Skulpturen, um Botschaften zu senden", antwortet Viale. "Meine Werke haben ihre eigene Autonomie und ich bin mehr daran interessiert, was passiert, während ich sie erschaffe. Ich muss nur teilweise die Kontrolle über das Werk haben, denn ein Teil der Skulptur muss sich von selbst entwickeln. Ich bin daran interessiert, zwei gegensätzliche Welten zu schaffen, die interagieren und Energie freisetzen. In meiner Arbeit suche ich eine solche Spannung."

Diese Spannung ist für Viale entscheidend, um ikonische, höchst suggestive Skulpturen zu erschaffen. Ist er jemals an einem seiner Werke hängen geblieben? "Nein, ganz und gar nicht! Denn wenn ich mich an ein Werk binden und es für mich behalten würde, könnte ich keine weiteren erschaffen. Wenn ich also sehe, wie sie mein Atelier verlassen, bin ich immer glücklich und denke mir, dass meine nächste Skulptur noch besser sein wird."

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Fabio Viale

"Ich fand die Lösung in einem Styropor®-Effekt, der eine echte Metamorphose darstellte",...

(Foto: © Manfredi Gioacchini)

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Christine Kronast

"Eine fünf Meter hohe Skulptur zu schnitzen, ist mit EPS kein Problem."

Flugzeugwracks aus Styropor®

 

Fünf Meter hohe Skulpturen oder Flugzeugwracks aus ein und demselben Material nachbauen? Alles kein Problem für Christine Kronast. Denn die ausgebildete Bühnenmalerin und -plastikerin erschafft ihre Werke mit Hilfe des 70-jährigen Klassikers Styropor® und dessen graphithaltiger Weiterentwicklung Neopor®.

„Ich bin einfach nicht mehr vom Theater weggekommen.“ Zunächst hatte Christine Kronast Theater- und Medienwissenschaften an der Ludwig-Maximilian-Universität in München studiert. Doch mehrere Praktika in Theatern, Ausstellungen oder Ateliers haben sie so sehr überzeugt, dass sie nach dem Abschluss ihres Studiums im Jahr 2014 eine Ausbildung zur Bühnenmalerin und -plastikerin begann.

Bereits nach ihrem Abitur absolvierte sie ein Praktikum am Residenztheater in München, wo sie bereits erste Kontakte knüpfen konnte. Während ihrer Ausbildung begann sie dann zum ersten Mal „so richtig“ mit Styropor®, technisch expandiertes Polystyrol (EPS) genannt, zu arbeiten. Im Berufsfeld der Bühnenmaler und -plastiker spielt das Material eine große Rolle und ist fest im Lehrplan verankert. An Styropor® schätzt Kronast vor allem dessen Leichtigkeit und dass es leicht zu verarbeiten ist. Bereits simple Werkzeuge helfen dabei, riesige Körper aus Styropor® zu bearbeiten. So lässt es sich vor allem dort einsetzen, wo Dinge geformt werden müssen.

Besonderen Wert legt die Künstlerin auf umweltbewusstes Arbeiten. „Ich bestelle lieber kleinere Blöcke und setze sie dann so zusammen, dass man möglichst wenig Verschnitt hat.“ Die erste, grobe Arbeit beginnt häufig mit einer Kettensäge an einem EPS-Block, bevor dann kleinere Werkzeuge ins Spiel kommen. „Styropor eignet sich hervorragend für Schnitzarbeiten und wenn Feinheiten aus der Skulptur herauszuarbeiten sind. Eine fünf Meter hohe Skulptur zu schnitzen, ist mit EPS kein Problem. Für den Feinschliff reichen oft Handraspel oder Messer.“

 

Bei der Wahl der Arbeitsmaterialien geht es teilweise unkonventionell zu. Nicht immer werde eine professionelle Säge benötigt. „Manchmal merkt man, dass eine selbstgebaute Holzlatte mit Nägeln sich wunderbar zum Imitieren von Tuffstein eignet“. Besonders Neopor® habe den Vorteil, dass es sich nicht so stark aufheizt wie Styropor®. Es lässt sich gut für natürliche Oberflächen wie Felsen oder Steine verwenden. Durch die graue Farbe ist es außerdem kaum anfällig gegen Verschmutzungen vom Transport oder Abbau. 

 

In der Vergangenheit arbeitete Christine Kronast für mehrere Theateraufführungen, Spielfilme und Museen. Bei der Lohengrin-Aufführung von 2019 im Salzburger Landestheater fertigte sie die Spitze eines Flugzeugwracks aus Styropor® an. Auch bei solchen Konstruktionen ist der 70-jährige Klassiker unerlässlich. „Das sieht super aus bei Dingen, die zerstört wurden.“ Aktuell arbeitet sie für die Bavaria Filmstudios bei München. Zu sehen sind ihre Arbeiten im Kinofilm „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“.

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